Bericht Flutkatastrophe, Stand 10. Oktober 2021

Die Flutnacht ist nun genau drei Monate her. In meinen Herbstferien war ich in Bad Neuenahr-Ahrweiler vor Ort. Ein Freund sagt mir im Gespräch: «Wir stecken in schweren Zeiten und die sind Schwerstarbeit für unsere Seelen. Wie ferngesteuert... in der ersten Phase, wo so viel geschafft werden musste, haben wir geschuftet, gerackert... und uns so auch dieser schrecklichen Wirklichkeit angenähert... Jetzt ist eine andere Phase... da geht es um Aushalten, damit leben lernen, dass alles anders ist... dass wir alles verloren haben.... und das ist fast schwerer als am Anfang... es ist mindestens genauso mühsam.»


In den letzten drei Monaten wurde unglaublich viel erreicht:


  • Die noch vorhandenen Strassen sind alle befahrbar.
  • Notbrücken wurden vom Technischen Hilfswerk errichtet.
  • Die Schulen und Kindergärten sind wieder im (Not)-Betrieb.
  • Die zerstörten Wasser- und Stromleitungen sind wieder in Betrieb, an den Gasleitungen wird mit Hochdruck gearbeitet.
  • Es gibt wieder kulturelle Veranstaltungen, erste Geschäfte sind wieder geöffnet.
  • Es sind viele Unterstützungsgelder geflossen und Anträge bereits bearbeitet.
  • Und immer noch kommen tausende Helfer*innen Woche für Woche ins Ahrtal und bringen mit ihrem Anpacken Licht ins Dunkel.


Und doch gibt es immer noch ganz viele Baustellen, die schmerzen:


  • Die vielen zerstörten Häuser, die nun leer stehen und deren Bewohner*innen in Behelfs- und Ferienwohnungen darauf warten, irgendwann einmal in ihre Häuser und Wohnungen zurückehren zu können.
  • Die persönliche Not, von der ich höre. Die immer wiederkehrenden Träume und Erlebnisse der Flutnacht und die Trauer über den Verlust Angehöriger und Freunde.
  • Die leeren Ladenlokale und Erdgeschosse, die zerstörten und aufgestapelten Gleise der Bahn, die Schuttberge auf den Wiesen.
  • Die vielen zerstörten Kirche und Kapellen.
  • Die vielen von tiefer Traurigkeit gezeichneten Menschen, bei allem Glück über das erreichte an Normalität.


:Kerit, das Diakonieprojekt der Evangelischen Kirchgemeinde Bad Neuenahr, hat neben der Friedenskirche in Ahrweiler ein provisorisches Zelt errichtet. Dorthin lädt :Kerit unter der Woche und auch an den Wochenenden zum Essen und Trinken ein. Alle sind eingeladen - die direkt Betroffenen der Katstrophe und die, die deren Not ansehen und mitaushalten müssen und wollen.

Das provisorisch erstellte und notdürftig eingerichtete Zelt soll einem stabilen, wärmeren und gemütlich eingerichteten Zelt weichen. Es wird kalt im Ahrtal. Deshalb sind warme und schöne Orte wichtiger denn je. Der Erwerb und die Einrichtung eines solchen Zeltes sollen zum Teil durch Spendengelder finanziert werden. Durch die bei unserer Kirchgemeinde eingegangen Spendengelder kann dazu ein wichtiger Beitrag geleistet werden, damit :Kerit den Menschen in Ahrweiler auch während des Winters einen behaglichen Ort der Begegnung und des Austauschs bieten kann.


Auch der Secondhandladen des :Kerit, der von vielen Freiwilligen inmitten der Ahrweiler Altstadt betrieben wurde, wurde durch die Flut stark beschädigt. Der Inhaber der Liegenschaft ist mit der Entkernung des Ladens beschäftigt. Sobald es wieder möglich ist, soll der Laden wieder in Betrieb genommen werden. Um neues Inventar wie Kleiderständer etc anzuschaffen, sind Spendengelder dringend gefragt. Auch hierzu wird unsere Kirchgemeinde einen Beitrag leisten können.


Die Aufräumarbeiten in der Martin-Luther-Kirche laufen auf Hochtouren. Ein erstes Gutachten hat ergeben, dass die Standfestigkeit und Statik der Kirche nicht beeinträchtigt sind. Bevor der Wiederaufbau beginnen kann, muss der Putz der Wände sowie der Bodenbelag bis auf die unterste Gesteinsschicht vollkommen abgetragen werden. Die beschädigte Kanzel, die Kirchenbänke und der Konzertflügel waren nicht mehr zu retten und wurden bereits entsorgt, der Altar muss ebenfalls entsorgt werden.  Um die Orgel auf der Empore zu erhalten, wurde diese abgebaut und die Pfeifen bei einem Orgelbauer eingelagert.


Bis in der Martin-Luther-Kirche wieder Gottesdienste gefeiert werden können, werden noch viele Monate vergehen. Sicherlich wird es Gelegenheit geben ein Symbol der Verbundenheit und der Solidarität unserer Kirchgemeinde gegenüber der Evangelischen Kirchgemeinde zu übergeben. (Text: Sabine Rheindorf)


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